sich gegen eine teure Bescherung zu wappnen › NZZ Jobs

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Sieben Monate waren genug; die Gesprächspartnerin kündigte. Länger hätte sie es unter der neuen Führung nicht ausgehalten. Anstatt auf Teamgeist sei ihre damalige Chefin vor allem auf sich selbst bedacht gewesen, ja sie habe die Zügel komplett an sich gerissen. «Sämtliche Entscheide lagen bei ihr; kein Projekt kam mehr voran, da das grüne Licht von oben fehlte.» Das sei sehr demotivierend gewesen. Wer sich gegen dieses Führungsgebaren aufzulehnen wagte, habe mit der sofortigen Kündigung rechnen müssen. Andere seien freiwillig gegangen und, so schildert es die Frau, nicht mehr ersetzt worden. Die strategische Führung sei informiert gewesen über die zerrütteten Strukturen, doch man habe viel zu lange zugewartet.

Nach knapp eineinhalb Jahren kam es zur Trennung, im gegenseitigen Einvernehmen, wie es hiess. Von einer Fehlbesetzung will das Aufsichtsgremium nichts wissen. Die Direktorin habe die Ziele erreicht, die man ihr gesetzt habe. Ihre fachlichen Qualifikationen seien unbestritten. Sie habe den Betrieb in einer Umbruchphase übernommen. Das sei immer eine schwierige Situation. Man habe sich Zeit genommen, die Vorwürfe der Belegschaft eingehend zu prüfen. Der Präsident hält fest: «Als klar war, dass die Unruhe im Wesentlichen mit der Arbeitsweise der obersten Führungsperson zusammenhing, handelten wir.» Vor einem solchen Schritt sei eine saubere Analyse jedoch unabdingbar.

Kaderbesetzungen, die den beiderseitigen Erwartungen nicht entsprechen, sind keine Seltenheit. Vermittlerkreise schätzen, dass 5 bis 10% der Positionen in mittleren und oberen Etagen nach kurzer Zeit wieder zu vergeben sind. Die Kosten einer unglücklichen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind erheblich. Ein Rechenbeispiel des Appenzeller Beratungsunternehmens Unseld Consulting beziffert den finalen Schaden auf das Zwölffache des vereinbarten Jahressalärs in der Höhe von 150 000 Franken. Die Aufstellung basiert auf einer realen Begebenheit in einem Schweizer Unternehmen.

Zum offensichtlichen Aufwand für Suche, Anstellung, Einarbeitung, Gehalt und Trennung, die in diesem Fall nach 18 Monaten vollzogen wurde, kam eine Reihe verdeckter Kosten hinzu (siehe Grafik). Die Führungskraft hatte einen gravierenden Fehlentscheid zu verantworten, es sprangen Kunden ab, weitere, sicher geglaubte Aufträge blieben aus. Diese Konsequenzen allein summierten sich auf 1,9 Millionen Franken. Verminderte Leistung, Fluktuationen und Rekrutierungsschwierigkeiten im Team des neuen Kaders standen mit mehreren hunderttausend Franken zu Buche. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis der damaligen Besetzung lautete am Ende 3:1 – ein vernichtender Wert.

In der Schweiz kommen diverse Instrumentarien zur Anwendung, die solchen Szenarien vorbeugen sollen. Die Risiken missglückter Personalentscheide gilt es zumindest zu minimieren. Einige Headhunter bieten Garantien für den Fall, dass sich von ihnen vermittelte Kandidaten als Fehlgriff erweisen. Manche Kaderspezialisten erstatten Teile ihres Honorars zurück. Andere machen sich erneut auf die Suche und verzichten dabei auf eine Bezahlung, sofern das Arbeitsverhältnis innerhalb einer ausgemachten Frist aufgelöst worden ist. Und es gibt Modelle, bei denen die Vermittlungsgebühren in Tranchen ausgezahlt werden – je nachdem, ob sich der Stelleninhaber bewährt hat oder nicht.

Headhunter geizen nicht mit Superlativen, um sich anzupreisen. Der Markt ist hart umkämpft. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt spielt den Kadersuchenden derzeit nur bedingt in die Hände. Fachkräfte sind rar, wechselwillige Topmanager ebenso. Passende Kandidaten auszumachen, ist unter diesen Voraussetzungen keine leichte Aufgabe. Einige Personalvermittler indes kennen ihre Grenzen. Sie bieten weitere Dienstleistungen an, die von spezialisierten Partnerfirmen zu beziehen sind.

Eine gängige Methode sind Assessments, wobei dieser Begriff in den letzten Jahren immer breiter geworden ist. Mittlerweile können sich rekrutierende Unternehmen selbst einer Prüfung unterziehen, um, so die Botschaft der Anbieter, den Bedarf an neuen Mitarbeitenden genau definieren zu können. «Rekrutierungen sind riskant, wenn eine Firma nicht genau weiss, wohin sie sich entwickeln will», sagt Andreas Mollet, Geschäftsführer von Inolution. Das Baselbieter Unternehmen hat ein webbasiertes System entwickelt, das Unternehmen unterstützen soll, die eigenen Bedürfnisse – und damit auch den Zweck einer offenen Stelle – exakt zu beschreiben. Erst danach geht es um das konkrete Anforderungsprofil und die Einschätzung interessierter Kandidaten. Die Kreuzchen der Bewerbenden gilt es zu analysieren. Kunden und Partnerfirmen werden eigens geschult, um die Resultate treffend zu interpretieren.

Gewissheit, den passenden Kandidaten zu finden, ist allerdings auch so nicht zu haben. Die eingangs erwähnte Führungskraft hat ein ähnliches Verfahren erfolgreich durchlaufen. Von ihrer Ernennung erhoffte man sich einen frischen Wind im Betrieb. Nichts deutete zu jenem Zeitpunkt auf einen abrupten Abgang hin. Einen solchen hatten vor zwei Jahren auch die SBB zu verkraften. Der Leiter Personenverkehr demissionierte nach wenigen Tagen und kehrte auf seinen angestammten Posten als CEO von Schweiz Tourismus zurück. Die Verlockung, aus einer KMU-Struktur in eine leitende Stellung in einem Grossunternehmen aufzusteigen, hatte sich ins Gegenteil verkehrt.

Für Markus Jordi, Leiter Human Resources und Mitglied der Konzernleitung, war diese Erfahrung kein Grund, das Rekrutierungsverfahren an sich in Frage zu stellen. Strukturierte Interviews und Assessments versteht Jordi als Instrumente, die einen subjektiven Eindruck stützen oder allenfalls in Frage stellen können. Angesichts der rund 1500 Stellen, die bei den SBB jedes Jahr zu besetzen sind, seien einheitliche Vorgehensweisen unumgänglich. Jordi betont weiter: «Headhunter können die Auswahl erweitern, Assessments sind eine flankierende Massnahme – die eigentliche Verantwortung aber liegt bei den Rekrutierenden selbst.»

Nach Angaben der Credit Suisse gehören Job-Interviews zu den beliebtesten Weiterbildungsangeboten für Mitarbeitende mit Führungsverantwortung. Externe Lösungen bleiben trotzdem heikel. Das Risiko, mit einem Kandidaten aus den eigenen Reihen danebenzuliegen, gilt als wesentlich geringer.